5. Netzbezogene Stromnebenkosten

Wird ein BHKW zur Eigenversorgung verwendet und wird der in ihm erzeugte Strom nicht durch ein Netz der allgemeinen Versorgung durchgeleitet, so fallen netzbezogene Stromnebenkosten, wie Netzentgelte, Konzessionsabgabe, Umlage nach der Verordnung über Vereinbarungen zu abschaltbaren Lasten, KWKG-Umlage, § 19 Abs. 2 StromNEV-Umlage und die Offshore-Haftungsumlage nicht an.

Reguliertes Netz oder nicht regulierte Kundenanlage?

Dabei ist die Beantwortung der Frage entscheidend, was als Netz der allgemeinen Versorgung zu qualifizieren ist. Diese Frage stellt sich regelmäßig in Abgrenzung zu den Kundenanlagen (§ 3 Nr. 24a EnWG) und Kundenanlagen zur betrieblichen Eigenversorgung (§ 3 Nr. 24b EnWG), die nicht zum regulierten Netz der allgemeinen Versorgung gehören. Teilreguliert sind geschlossene Verteilernetze, die eine eigenständige Gruppe bilden.

Kundenanlage (§ 3 Nr. 24a EnWG)

Begriff

Die nicht der Netzregulierung unterliegenden Kundenanlagen sind gemäß § 3 Nr. 24a EnWG Energieanlagen zur Abgabe von Energie,

a) die sich auf einem räumlich zusammengehörenden Gebiet befinden,

b) mit einem Energieversorgungsnetz oder mit einer Erzeugungsanlage verbunden sind,

c) für die Sicherstellung eines wirksamen und unverfälschten Wettbewerbs bei der Versorgung mit Elektrizität und Gas unbedeutend sind und

d) jedermann zum Zwecke der Belieferung der angeschlossenen Letztverbraucher im Wege der Durchleitung unabhängig von der Wahl des Energielieferanten diskriminierungsfrei und unentgeltlich zur Verfügung gestellt werden.

Räumlich zusammengehörendes Gebiet

Ein räumlich zusammengehörendes Gebiet liegt vor, wenn sich die Anlage auf einem Gebiet befindet, welches seiner Prägung nach aus Teilbereichen besteht, die nach wertender Betrachtung als einheitlich anzusehen sind. Nicht erforderlich ist es, dass sich das Gebiet lediglich auf ein Grundstück erstreckt. Die Eigentumsverhältnisse bezüglich der Grundstücke sind unerheblich.

Verbindung mit einem Netz oder Erzeugungsanlage

Die Kundenanlage muss zumindest mit einer Erzeugungsanlage verbunden sein. Eine Verbindung mit einem Netz der allgemeinen Versorgung ist nicht erforderlich.

Unbedeutend für den Wettbewerb

Weiter muss die Anlage für die Sicherstellung eines wirksamen und unverfälschten Wettbewerbs bei der Versorgung mit Elektrizität und Gas unbedeutend sein. Ob dies der Fall ist, entscheidet sich nach einer Gesamtschau der Fallumstände. Zu berücksichtigen sind nach der Gesetzesbegründung (BT-Drucks. 17/6072, S. 51):

  • die Anzahl der angeschlossenen Letztverbraucher,
  • die geografische Ausdehnung,
  • die Menge der durchgeleiteten Energie sowie
  • sonstige Merkmale (wie bspw. die zwischen dem Betreiber und den angeschlossenen Letztverbrauchern geschlossenen Verträge, Vorhandensein einer größeren Anzahl weiterer angeschlossener Kundenanlagen).

Bei der Anzahl der angeschlossenen Letztverbraucher wird eine absolute Sichtweise vertreten (OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 08.03.2018, 11 W 40/16 (Kart); BNetzA, Beschluss vom 03.04.2017, BK6-15-166). Ab einer Anzahl von 90 (in diese Richtung KG, Beschluss vom 20.03.2014, 2 W 16/16, Rn. 48) oder 457 Letztverbrauchern (BNetzA, Beschluss vom 03.04.2017, BK6-15-166; in diese Richtung auch OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 08.03.2018, 11 W 40/16 (Kart)) liegt demnach keine Kundenanlage mehr vor. Die Anzahl der Anschlüsse und nicht der versorgten Personen ist dabei entscheidend (OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 08.03.2018, 11 W 40/16 (Kart)).

Die Kriterien der geografischen Ausdehnung und der Menge der durchgeleiteten Energie sind nach Auffassung des OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 08.03.2018, 11 W 40/16 (Kart), unbedeutend und können allenfalls als Indiz herangezogen werden.

Anlage diskriminierungsfrei und unentgeltlich verfügbar

Sind an die Anlage dritte Letztverbraucher angeschlossen, so liegt eine Kundenanlage nur vor, wenn die Anlage von den Letztverbrauchern und deren Lieferanten unentgeltlich und diskriminierungsfrei genutzt werden kann. Jeder Letztverbraucher muss die Möglichkeit haben, seinen Energielieferanten frei zu wählen und umgekehrt (Gemeinsames Positionspapier der Regulierungsbehörden der Länder und der BNetzA zu geschlossenen Verteilernetzen gem. § 110 EnWG vom 23.02.2012 (Gemeinsames Positionspapier), S. 7).

Exklusivitätsvereinbarungen, nach denen die Letztverbraucher an einen Lieferanten gebunden sind, verhindern die Einstufung der Anlage als Kundenanlage. Unentgeltlichkeit bedeutet, dass der Betreiber der Anlage nicht nur von den Letztverbrauchern, sondern auch von deren Lieferanten kein Entgelt verlangen darf. Wird dagegen die Anlage im Rahmen eines vertraglichen Gesamtpakets zur Verfügung gestellt (bspw. Miet- oder Pachtvertrag), ist das Merkmal der Unentgeltlichkeit erfüllt, wenn das Entgelt nicht anhängig von der Nutzung der Anlage ist, insbesondere sich die Höhe des Entgelts nicht nach der Menge der durchgeleiteten Energie richtet (Gemeinsames Positionspapier, S. 7).

Kundenanlage zur betrieblichen Eigenversorgung (§ 3 Nr. 24b EnWG)

Die regulierungsfreien Kundenanlagen zur betrieblichen Eigenversorgung nach § 3 Nr. 24b EnWG sind Energieanlagen zur Abgabe von Energie,

a) die sich auf einem räumlich zusammengehörenden Betriebsgebiet befinden,

b) mit einem Energieversorgungsnetz oder mit einer Erzeugungsanlage verbunden sind,

c) fast ausschließlich dem betriebsnotwendigen Transport von Energie innerhalb des eigenen Unternehmens oder zu verbundenen Unternehmen oder fast ausschließlich dem der Bestimmung des Betriebs geschuldeten Abtransport in ein Energieversorgungsnetz dienen und

d) jedermann zum Zwecke der Belieferung der an sie angeschlossenen Letztverbraucher im Wege der Durchleitung unabhängig von der Wahl des Energielieferanten diskriminierungsfrei und unentgeltlich zur Verfügung gestellt werden.

Ergänzend zu den obigen Ausführungen zum Begriff der Kundenanlage ist bei der Einstufung als Kundenanlage zur betrieblichen Eigenversorgung beim Merkmal nach § 3 Nr. 24b Buchst. c) EnWG auf Folgendes zu achten:

In der einen Kostellation dient die Anlage fast ausschließlich dem betriebsnotwendigen Transport von Energie innerhalb des eigenen Unternehmens oder zu verbundenen Unternehmen. In der Alternativkonstellation geht es um den fast ausschließlichen Energieabtransport in ein Energieversorgungsnetz. Das Merkmal "fast ausschließlich" bedeutet hierbei mindestens 90 % der Energiemenge. Die absolute Energiemenge ist nicht erheblich (Gemeinsames Positionspapier, S. 8).

RegK Hessen

Beispielhaft wird ein von der Regulierungskammer Hessen, Beschl. v. 18.10.2016 – III 3 – 75 s40#011 RKH 170/2016, entschiedener Fall zur Verdeutlichung herangezogen (nach Kaspers, IR 2017, 17 f.).

In diesem Fall ging es um die Einstufung einer Energieanlage als Kundenanlage oder Netz der allgemeinen Versorgung.

Die Antragsteller beantragten im Wege des besonderen Missbrauchsverfahrens nach § 31 EnWG Anordnungen zu treffen, damit die Antragsgegnerin ihren gesetzlichen Pflichten als Betreiberin eines Energieversorgungsnetzes nachkomme. Die Antragsgegnerin versorgt Mieter einer Liegenschaft mit 397 Wohneinheiten mit Strom und erhebt jährlich einen Grund- sowie einen Arbeitspreis. Die von ihr betriebenen Stromverteilungsanlagen sind an das Mittelspannungsnetz angeschlossen; die von ihr betriebene Umspanneinrichtung befindet sich in der Liegenschaft. Die Liegenschaft wird von einer öffentlichen Straße durchquert.

Die Regulierungskammer Hessen ist der Ansicht, dass es für die Frage, ob eine Energieanlage als Kundenanlage betrieben werde, allein auf die vorgefundenen, in einem wesentlichen Punkt (unentgeltlich und ohne Diskriminierung in der Benutzung) vom Verhalten des Betreibers bestimmten Eigenschaften der Anlage ankomme. Die Regulierungskammer führt unter Verweis auf die Gesetzesbegründung sowie den Wortlaut des § 3 Nr. 24a EnWG aus, dass sich eine Kundenanlage auch außerhalb von Gebäuden über ein größeres Grundstück erstrecken könne. Es werde ausdrücklich nicht auf ein Grundstück, sondern vielmehr auf ein Gebiet abgestellt. Es sei von einem räumlich zusammengehörenden Gebiet auszugehen, wenn aufgrund einer gewissen räumlichen Nähe und Verbindung zwischen den Grundstücken das Gebiet aus Sicht eines objektiven Betrachters als einheitlich wahrgenommen werde. Dem stehe auch die Querung durch eine öffentliche Straße (Verkehrsfläche) nicht entgegen.

Bezüglich des Tatbestandsmerkmales der Sicherstellung eines wirksamen und unverfälschten Wettbewerbs sei die Anlage bei der Versorgung mit Elektrizität unbedeutend. Hierfür nenne die Gesetzesbegründung fünf Kriterien, anhand derer die Wettbewerbsrelevanz beurteilt werden könne, wobei aber auch die Heranziehung weiterer Gesichtspunkte nicht ausgeschlossen sei. Vorliegend stellt die Regulierungskammer auf das Verhältnis der genannten Parameter in der Energieanlage im Verhältnis zum Netz ab. Die Zahl der angeschlossenen Haushalte liege bei weniger als 1 Promille der Entnahmestellen des örtlichen Netzes der allgemeinen Versorgung. Die Menge der durchgeleiteten Energie in den Energieanlagen betrage nur rund 0,3 Promille der Gesamtlieferung des örtlichen Stromverteilernetzes. Diese Zahlen sprechen nach Ansicht der Regulierungskammer nicht für einen nennenswerten wettbewerblichen Einfluss auf die Elektrizitätsversorgung im Netzgebiet, so dass der Wettbewerb um die Abnehmer in der Liegenschaft nicht wesentlich berührt sei.

Durch die Regulierung soll eine Marktstellung des Anlagenbetreibers gegenüber den Anschlussnehmern und potentiellen Lieferanten, die wettbewerbsbeeinträchtigend wirken und so insbesondere die effiziente und kostengünstige Belieferung der angeschlossenen Verbraucher behindern könnte, verhindert werden. Dies möge bspw. dann der Fall sein, wenn eine Energieanlage im hohen Maße technische Bauteile umfasse, die typischerweise in regulierten Netzen verbaut sind und deren Kosten der Anlagenbetreiber etwa verdeckt durch überhöhte Mietpreise oder über sonstige Leistungsumlagen erhebe. Keinen dieser Gesichtspunkte sah die Regulierungskammer im vorliegenden Fall als gegeben an. Es sei vielmehr nicht ersichtlich, dass überhöhte Mietpreise verlangt würden oder im spürbaren Umfang Netzkosten finanziert würden, die sonst typischerweise über Netzentgelte gedeckt würden. Auch handele es sich bei der Energietechnik weit überwiegend um Hausinstallationen, deren Errichtungs- und Betriebskosten auch in anderen Liegenschaften über die Miete bzw. die Kaufpreise der Wohnung finanziert würden. Zudem bestünden hier keine Anhaltspunkte dafür, dass die Antragsgegnerin einem Durchleitungsbegehren oder dem Wunsch nach einem Lieferantenwechsel nicht nachkommen würde. Eine nicht diskriminierungsfreie Durchleitung könne nicht allein deshalb angenommen werden, weil bisher noch kein Durchleitungsbegehren vorgelegen habe. Dies gelte auch dann, wenn wie im vorliegenden Fall, ggf. erst noch organisatorische Maßnahmen getroffen werden müssten, um einem Durchleitungsbegehren zu entsprechen. Zwar seien bisher keine Zählpunkte in der Kundenanlage eingerichtet, dies sei jedoch nach § 20 Abs. 1d EnWG ohnehin Pflicht des Netzbetreibers. Schließlich komme hinzu, dass vorliegend die Annahme eines Energieversorgungsnetzes zu einer zusätzlichen Belastung der Energiepreise der Mieter in der Liegenschaft führen würde. Da vorliegend weder ein zeitraumbezogenes noch ein fallweise bestimmtes Entgelt zu zahlen sei, stünden die Energieanlagen auch unentgeltlich zur Verfügung.

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