17. Baurechtliches Rücksichtnahmegebot
Die Anwendung des im Bauplanungsrecht geltenden nachbarschützenden Rücksichtnahmegebotes kann dazu führen, dass bei Einhaltung der Werte nach den TA Luft und TA Lärm der Betrieb eines BHKW dennoch unzulässig ist. Der betroffene Nachbar kann sich dann unter Berufung auf die Verletzung des Rücksichtnahmegebots gegen die Errichtung oder Erweiterung eines BHKW wehren.
Das VG Saarlouis hat in seinem Urteil vom 09.04.2008 - 5 K 1030/07, BeckRS 2008, 34680, zu einem mit Palmöl betriebenen BHKW, dessen (nicht eingehauste) Lüfteranlage für die Nachbarn unangenehme Geräusche verursachte und welches sich innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile nach § 34 BauGB befunden hat und nach dem BImSchG nicht genehmigungsbedürftig war, Folgendes entschieden:
„Hinsichtlich der Frage, ob die geltend gemachte Beeinträchtigung durch Geräusche die für einen auf Verletzung des Rücksichtnahmegebotes gestützten Abwehranspruch maßgebliche Zumutbarkeitsschwelle überschreitet und damit für Nachbarn nicht hinzunehmen sind, wird bei Anlagen im Sinne des § 22 Abs. 1 BImSchG, wozu vorliegend auch das streitgegenständliche Blockheizkraftwerk gehört, nicht abschließend durch die Richtwerte für Schallpegel nach der TA-Lärm bestimmt.
Vgl. BVerwG, Beschluss vom 20.01.1989 - 4 B 116.88 - DVBl 1989, 371 = NVwZ 1989, 666.
Die auf andauernden und jeweils längere Zeit während des Tages abstellenden Richtwerte der TA Lärm (…) sind nicht das allein maßgebende Kriterium für die Beurteilung der Zumutbarkeit von Lärmeinwirkungen eines Betriebs auf die Nachbarschaft in Wohngebieten.
Ausschlaggebend für die Zumutbarkeit von Lärmimmissionen sind neben der Lautstärke auch Zeitpunkt, Dauer, Lauthöhe (Frequenz-Spektrum) sowie der Erwartungs-, Überraschungs- und Überdeckungseffekt.
Bei der Frage der Zumutbarkeit ist vorliegend zu berücksichtigen, dass die Lüfteranlage, wie vor Ort festgestellt werden konnte, ein unangenehmes Laufgeräusch verursacht und dieses Geräusch aufgrund des ganzjährigen Betriebes der Anlage auch zu den besonders schutzwürdigen Ruhezeiten nachts und an Sonn- und Feiertagen auf das Grundstück der Kläger [ = Nachbar – Einf. der Verf.] einwirkt.
Die in den Auflagen des Landesamtes für Umwelt- und Arbeitsschutz, die gemäß Nr. 9 des Bauscheines Teil der Baugenehmigung sind, getroffene Begrenzung der Immissionen an den nächstgelegenen Wohnanwesen und auf Richtwerte von tagsüber 55 dB (A) und nachts 40 dB (A) sind nicht geeignet die Lästigkeit der dadurch verursachten Geräusche zu vermeiden. Denn selbst wenn diese Grenzwerte auch auf dem Grundstück der Kläger eingehalten werden, ist aufgrund des von den Lüftern ausgehenden dauernden und unangenehmen Brummens oder Rauschens von einer Verletzung des Gebotes der Rücksichtnahme auszugehen.
Ein Kraftwerk liefert Strom. Dieser wird Tag und Nacht benötigt. Also laufen die Generatoren und die sie antreibenden Dieselmotoren im Dauerbetrieb. Das zieht zwangsläufig auch ein Anspringen der Lüfter in den Nachtstunden nach sich. Die dabei entstehenden Geräusche können sich derzeit ungehindert nach allen Seiten ausbreiten und sind geeignet, die Nachtruhe auf den angrenzenden Wohngrundstücken empfindlich zu stören.
Zu einer Rücksichtslosigkeit des Blockheizkraftwerkes gegenüber den Klägern führen aber nicht nur die davon ausgehenden Lärm-, sondern auch die Geruchsimmissionen.
Wie bei der durchgeführten Besichtigung der Örtlichkeit festgestellt werden konnte, ist in der gesamten Umgebung des streitgegenständlichen Blockheizkraftwerkes einschließlich des Grundstücks der Kläger deutlich ein Geruch wahrnehmbar, der an heißes Speisefett bzw. Speiseöl erinnert, wie er typischerweise beim Betrieb von Imbissbuden entsteht. Nun ist es aber in der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts des Saarlandes geklärt, dass es unter Beachtung des Gebotes der Rücksichtnahme einem Nachbarn nicht zumutbar ist, die vom Betrieb einer Imbissbude ausgehenden unangenehmen Gerüche, wie sie insbesondere beim Frittieren, Grillen und Braten von Speisen entstehen, täglich stundenlang hinzunehmen (vgl. Beschluss vom 25.01.1989 - 2 W 635/88 - BRS 49 Nr. 56). Erst recht ist es daher einem Nachbarn nicht zuzumuten, ganzjährig und rund um die Uhr einem entsprechenden Geruch ausgesetzt zu sein.“